Geschichte
Alles eine Frage des Geldes?
Aus der Geschichte der Stadtkirche
In der 42-jährigen Regierungszeit von Herzog Adolf Friedrich IV., den der Volksmund Dörchläuchting nannte, entwickelte sich Neustrelitz immer mehr zur Residenzstadt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren der Markt und die Straßen weitgehend bebaut.
Das wichtigste Bauvorhaben war in dieser Zeit die Errichtung der Stadtkirche. Mit dem Anwachsen der Bevölkerung wurde die Abhaltung des Gottesdienstes in der Schlosskapelle immer problematischer. Deshalb entschloss sich Adolf Friedrich IV. 1756 zur Trennung von Schloss- und Stadtgemeinde. Er berief am 20. November 1756 Andreas Gottlieb Masch zum ersten Stadtpfarrer. Bereits wenige Tage später erließ er eine Anordnung zum Bau einer Stadtkirche. Aber bis zur Umsetzung des Plans vergingen zwölf Jahre. Die Folgen des Siebenjährigen Krieges (1756-1763), die sich auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse von Mecklenburg-Strelitz ungünstig auswirkten, und ständiger Geldmangel verhinderten den sofortigen Baubeginn. Erst 1766 konnte der Plan wieder aufgegriffen werden. Herzog Adolf Friedrich IV. stellte einen Betrag von 2 000 Talern aus einer Gerichtsbuße für den Bau zur Verfügung. Außerdem stiftete er Bauholz und Steine. Bis zur Verwirklichung des Vorhabens war es aber noch ein weiter Weg.
Kolorierte Federzeichnung von Wilfried Neumann, Neustrelitz
Foto: FOTO JUNG, Neustrelitz
1856, zum 100-jährigen Bestehen der Stadtgemeinde schenkte Großherzogin Marie der Gemeinde das von ihr nach Raffael kopierte Gemälde „Kreuztragung Christi“ als Altarbild für die Stadtkirche. Dadurch wurden umfangreiche Bauarbeiten notwendig. Die Kanzel musste seitlich versetzt werden. Auf der ersten Empore befindet sich noch heute die kleine Tür zur alten Kanzel.
Foto: FOTO JUNG, Neustrelitz
1913 erfolgten Ausbesserungsarbeiten am Turm. In der Kugel unter dem Kreuz wurde eine Urkunde vom 12. August 1831 gefunden. Darin heißt es u.a.:
„...Die Direction des Baues erhielt Hofmarschall von L’Estocq und der Hofbaumeister Buttel... Sämmtliche Steine sind auf der Radelandschen Ziegelei vom Ziegler Niclas geformt, die Säulenkapitäle vom hiesigen Töpfermeister Lange modelliert, geformt und gebrannt. Kugel und Kreuz hat der Kupferschmied Luffsmann, die eiserne Helmstange aber der Schmidt Rohde angefertigt. Im Sommer des Jahres 1828 begann der Bau. Im Jahre 1829 wurde die 1e und 2e Etage vollendet, im Jahre 1830 die 3e und 4e Etage und am heutigen Tage, als den Geburtstag Sr. Königl. Hoheit des regierenden Großherzogs, dieser Knopf und das Kreuz feierlich aufgesetzt. In diesem Jahre ist auch Anfang mit dem Abputz des Gemäuers der Kirche gemacht worden... Zu einer neuen Uhr hat der verstorbene Hofrath Tangatz ein Kapital von 500 M. ausgesetzt“.
Foto: FOTO JUNG, Neustrelitz
Im Straßenpflaster vor dem Kirchenhaupteingang an der Marktseite erinnert die Jahreszahl 1831 an die Fertigstellung des Turmbaus. Ohne Balustrade hat er eine Höhe von 45m, insgesamt ist er 52m hoch. Georg Krüger beschreibt 1921 die Stadtkirche in dem Nachschlagewerk „Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Freistaates Mecklenburg-Strelitz“ u.a. wie folgt:
„Massiver, klassizistischer, ehemals farbiger Putzbau (blaßgrüner Sockel, rote Wandflächen, gelbe Pilasterglieder)“.
Ein besonderes Geschenk erhielt die Kirche zum Weihnachtsfest 1930. Die regionale Presse berichtete darüber Folgendes:
„Die jungen Damen des Kät(h)e-Luther-Bundes unter Leitung von Frl. M. Tolzien stifteten ein buntes Fenster, ein großes Lutherbild in Glasmalerei. Es zeigt Kopf und Brust des Reformators, der die Bibel in der Hand hält ... Das Fenster ist entworfen von dem jungen Kunstmaler Gerd Tolzien, hierselbst; es ist ausgeführt von der Firma Puhl-Wagner-Heinersdorff, Berlin-Treptow, Vereinigte Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei. Es soll am heiligen Abend von dem hiesigen Glasermeister Wrege eingesetzt werden, und zwar im hinteren Schiff der Kirche nach der Orgel zu an der Marktseite ...“
1935 waren abermals Veränderungen im Innern der Kirche vorgesehen. U.a. sollte unten und auf den Emporen die boxenartige Durchteilung des Gestühls beseitigt werden. Unter der Orgelempore wollte man die alte großherzogliche Loge entfernen. Vom Seiteneingang an der Sassenstraße, der früher der großherzoglichen Familie vorbehalten war, sollte der Gang geradezu in Richtung Altar führen. Dadurch wollte man bei Trauungen den Brautpaaren einen längeren Weg bis vor den Altar bieten.
Foto: Dr. Beuther, Neustrelitz
Freiwillige Arbeiten und Spenden vieler Gemeindeglieder haben zu allen Zeiten zur Erhaltung dieses imposanten Gotteshauses beigetragen. Denn, schon immer war alles eine Frage des Geldes!
Harald Witzke
Quellen:
- Chronisten Dr. Endler, Konrad Hustaedt, Georg Krüger
- Berichte aus der Landeszeitung...
- Akten des Stadtarchivs und Stadtkirchenarchivs