Die Stadtkirche in Neustrelitz
„Meist wurden die Turmbauten in einer frühen Phase des Kirchenbaues begonnen, lange bevor die in der Regel von Osten her errichteten Bauten den westlichen Teil der künftigen Kirche erreichten“, schreibt Horst Ende in Die Stadtkirchen in Mecklenburg (1984).
Aus der Neustrelitzer Geschichte
zentrale Kirche
für eine neue Stadt
So war es nicht bei der Stadtkirche von Neustrelitz. Überhaupt weist die Baugeschichte dieses Gebäudes Besonderheiten auf, die sicherlich vorrangig aus Geldknappheit zu erklären sind: Einen Entwurf für die neue Kirche lieferte dem Herzog nach Besichtigung französischer Kirchen sein Leibarzt Verpoorten.
Der Bau begann mit der Grundsteinlegung am 29. Juli 1768. Er wurde aus finanziellen Gründen unterbrochen und die Kirche am 4. November 1778 unfertig eingeweiht. Der mit der Planung eines passenden Turmes beauftragte noch junge Baumeister
Friedrich Wilhelm Buttel
entwarf den markanten, irgendwie an einen hochgestellten Quader erinnernden Turm, der aber oben mit einer Balustrade abschließt, worauf noch eine hohe Säule mit dem Kreuz steht. Der Turm konnte nach einer etwa dreijährigen Bauzeit 1831 fertig gestellt werden. Er ist zur Zeit fast ein Besuchermagnet, denn von ihm aus kann man gut über die Stadt und die nahe Umgebung sehen und bei jeder Jahreszeit sich verändernde Ausblicke – entfernt von allem Verkehr zu Füßen des eigenen Standpunktes – genießen.
(Blick von oben)
Aber im Inneren der Kirche sind während der 230 Jahre Veränderungen vorgenommen worden, die erst durch einige erklärende Worte eines sachkundigen Führers deutlich werden.
Besucht der Urlauber heute diese Kirche, so wird er zwar noch immer auf die Prinzipien protestantischen Kirchenbaues stoßen: in städtebaulich hervorragender Position stehend, das Äußere schlicht, das Innere als rechteckiger Saalbau errichtet, flach gedeckt, mit umlaufenden Emporen. Aber: der Standpunkt des Turms nimmt Rücksicht auf die städtebauliche Situation, indem er an der dem Markt zugewandten Seite steht. Der Kanzelaltar an der südöstlichen Schmalseite wurde – um der Kopie von Raffaels Kreuztragung Platz zu machen – auseinander genommen und eine neue Kanzel seitlich des Altars auf einen Fuß gesetzt.
Die kleine Orgel, die anfangs darüber auf der oberen Empore stand, bekam 1893 eine große Nachfolgerin, die auf Wunsch der Gemeinde nicht mehr „so geduckt dastehen (sollte), wie unsere alte, sondern (sie) muß schmal sein und hochgezogen“. Sie fand daher ihren Platz auf der Empore gegenüber des Altars, wofür dann auch die obere Empore an dieser Seite abgebrochen wurde und unten aus statischen Gründen eine „Loge“ entstand. Der bisherige Eingang in die Kirche von der Sassenstraße her verlor damit seine Bedeutung.
Steht der Besucher heute in der Kirche, so schaut er auf den barocken Altar, der mit dem Bild komplettiert wurde.
Das Altarkreuz wurde vom Erfurter Kunstschmied Griese 1968 geschaffen. Die wertvollen silbernen Altarleuchter, die aber nicht immer am Ort stehen, sind Leihgaben der Schlosskirche. Sie wurden 1869 von König Georg V. und Königin Marie von Hannover gestiftet.
Seit November 2008 ist das große Altarkreuz ersetzt durch ein kleineres, das durch den
Hofgoldschmied Adolf Friedrich Theodor von Behmen 1899 der Stadtkirche gestiftet wurde.
Vorn liegt dann der Lutherteppich, den die Stadtkirche zum 400. Geburtsjubiläum Martin Luthers (10. November 1883) – von der Gemeinde gestiftet – erhielt.
Der Taufständer in der Mitte darauf ist die Arbeit des hiesigen Hoftischlers Bengelstorff, von dem auch das Orgelprospekt geschaffen wurde.
Oberhalb des Altars sind auf der Empore zu sehen vier allegorische Figuren: Glaube, Hoffnung, Liebe und Barmherzigkeit. Sie stammen vom Bildhauer Simon Gehle (1778 aufgestellt). (Bild)
Die Orgel – ein Werk der Orgelbaufirma Grüneberg (Stettin) – ist eine mechanische 3-manualige mit 45 Register und soweit instand gesetzt, dass sie dem Originalzustand gleicht (am 28. Juni 1893 geweiht).
Die bleiverglasten Fenster rechts und links des Altarraumes stammen aus dem Jahre 1931 und stellen die Geburt, die Taufe, die Kreuzigung und die Auferstehung dar. Im hinteren Teil der Kirche befindet sich ein Lutherfenster, eine Gabe des Käthe-Luther-Bundes (1930)
(Bild)
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Die Glocken im Turm sind verschiedener Herkunft: die mittlere ist aus Bronze und stammt aus dem Jahre 1521. Die beiden größeren Hartgussglocken aus dem Jahre 1955 sind die Stiftung einer Neustrelitzer Familie für diese Kirche.
Somit hat jedes Jahrhundert etwas für das jetzige Aussehen der Kirche dazu getan.